James Houston ist Traurerredner. Eine Trauerrede kann als Abschiedsgruß oder Nachruf verstanden werden, jedenfalls als Würdigung mittels letzter Worte während eines Begräbnisses. Diese Worte übernimmt James Houston nach einem Gespräch mit den Angehörigen und Verbliebenen. Wie er sich darauf vorbereitet, vor welchen Herausforderungen er dabei steht und was bei seinem eigenen Begräbnis gesagt werden soll, erzählt er im Interview.
Einer, der von der neuen Einstellung zur Kirche profitiert, ist James Houston. Der 47-jährige Enkel eines britischen Besatzungssoldaten und einer Meidlinger Großmutter arbeitet als freier Redner und hat sich auf Trauerreden spezialisiert. Houston beschäftigt in seiner Firma Callas in Wien acht Mitarbeiter. An diese hat er spezielle Anforderungen: Ein Trauerredner müsse nicht nur mit unterschiedlichsten Menschen, sondern einem ganzen Spektrum an Emotionen - von Aggressivität bis Apathie - umgehen können. Stimme, Gestik, Mimik und der persönliche Bezug zu Trauer seien ebenfalls wichtige Eigenschaften. Man müsse auch wissen, was man fragen muss, um den Verstorbenen kennenzulernen, und zwischen den Zeilen lesen können.
Die Vorbereitung auf eine Trauerrede sei "schwere Arbeit", sagt der stattliche Mann mit der tiefen, weichen Stimme. Seine Aufgabe sieht er darin, Erinnerungen wachzurufen, den Toten zu würdigen. Was hilft den Leuten in dieser Situation? Welche Themen darf ich ansprechen? Nach über 3000 Reden sei er routiniert. Als Gedächtnisstütze dient ein Zettel im A5-Format, auf dem er die wichtigsten Daten notiert und den er in einer schlichten schwarzen Mappe mit sich trägt. Mit unerwarteten Situationen könne er gut umgehen. Klingelnde Handys baue er in seinen Redefluss ein: "Man kann dem Verstorbenen nicht mehr sagen, was man sagen möchte, man kann ihn nicht mehr anrufen." Wenn Hinterbliebene während der Rede zusammenbrechen, dann bringe ihn das aber noch heute aus der Fassung.
Houston sieht einen Trend in Richtung individualisierter und ritualisierter Feiern. Noch fehle es den Leuten aber an Mut; sie fragten sich, ob das auch den Gästen gefallen würde. Der finanzielle Aspekt spiele ebenfalls eine Rolle. Der leidenschaftliche Trauerredner würde sich aber mehr Rituale wünschen. "Wenn ich jemanden verabschiede, der mich 40 Jahre durchs Leben begleitet hat, sollte ich mich nicht nur berieseln lassen." Er findet an minutiös geplanten und pompösen Feierlichkeiten mit musikalischen Einlagen, Lichtshows und Nebelmaschinen ebenso Gefallen wie an "sanften Ritualen". So bietet er an, mit den Hinterbliebenen eine Kerze anzuzünden und diese zum Sarg zu tragen, bevor seine Rede beginnt. Die steigende Nachfrage nach freien Rednern begründet er mit dem Wunsch nach Mitgestaltung. Priester würden sich oft weigern, persönliche Worte zu sprechen oder das Lieblingslied des Toten abzuspielen. Stattdessen sprechen sie eine fünfminütige Einsegnung voller Floskeln. Diese "Massenabfertigung" passiere vor allem in der Stadt.
Zum ganzen Artikel im Standard "Die Kirche muss draussen bleiben"
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